marketSTEEL-Interview mit Dr. Karl Haider, CCO bei Tata Steel Europe.
marketSTEEL: Tata Steel Europe (TSE) entwickelt nachhaltige Produkte aus Stahl. Was ist das Besondere an diesen Produkten und wie setzen Sie diese um?
Dr. Karl Haider: Stahl ist nachhaltig, wenn:
- er mit Rohstoffen hergestellt wird, die auf verantwortungsvolle Weise beschafft wurden, um die Sicherheit und das Wohlergehen aller Beteiligten zu gewährleisten.
- er mit dem geringstmöglichen CO2-Ausstoß und mit möglichst wenig Ausschuss produziert wird.
- er die Prozesseffizienz verbessert und für Performance-Verbesserungen während der Herstellung und Nutzung des Endprodukts sorgt.
- er zu 100 % wiederverwertbar ist, mit einer Schrottverwertungsrate von >95 %, in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern für eine 100-prozentige Verwertung.
Die Produkte von Tata Steel in Europa erfüllen derzeit bereits alle diese Anforderungen und werden stets weiterentwickelt. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie sieht daher die Umsetzung und Optimierung von drei strategischen Säulen vor: verantwortungsvolle Lieferketten, Kreislaufwirtschaft und CO2-Performance.
Jede dieser Säulen beinhaltet Maßnahmen, die die Produkte von Tata Steel in jeder Hinsicht nachhaltig gestalten sollen. Langfristige Anlagenentwicklungsstrategien werden mit kurz- und mittelfristigen Optimierungen kombiniert, die darauf ausgerichtet sind, verantwortungsvolles Verhalten bei den Rohstofflieferanten sicherzustellen. Zudem werden unsere Kunden dabei unterstützt, die Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu verstehen und ihre eigenen Strategien anschließend erfolgreich zu entwickeln und umzusetzen.
Schon heute ist es möglich, die ökologische Bilanz eines Produktes zu reduzieren. Tata Steel Europe unterstützt seine Kunden aktuell mit dem Portfolio schon mit der leichteren Auslegung von Komponenten (mit HyperForm®, XPF®), der Reduzierung der Beschichtungsdicken (mit MagiZinc®), der Verbesserung des Ertrags (mit Serica®, MagiZinc® und PLT) und der Optimierung von Verpackung und Logistik.
marketSTEEL: Stichwort: Klimaabkommen von Paris bzw. „Green Deal“ der EU-Kommission. Wie setzt Tata Steel Europe die Ziele um?
Dr. Karl Haider: Die Produkte von Tata Steel in Europa werden in Produktionsstätten hergestellt, in denen alle Nebenprodukte so weit wie möglich wiederverwendet werden und die für ihre relativ niedrige Kohlenstoffbilanz bekannt sind.
Um den „Green Deal“ umzusetzen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, wird Tata Steel Europe in eine Reihe neuer Technologien investieren und die Infrastruktur für erneuerbare Energien nutzen, sobald diese verfügbar werden.
Ein großes Potenzial birgt z.B. die Entwicklung alternativer Technologien zur Eisenherstellung. Tata Steel Europe hat eine wegweisende Technologie namens HIsarna entwickelt, die dazu entwickelt wurde, mittelfristig die Hochöfen zu ersetzen. Mit HIsarna ist es möglich, den CO2-Ausstoß durch den Wegfall der Produktionsschritte der Sinter- und Koksherstellung um 20 % zu reduzieren, und in Kombination mit CCS/CCU (Carbon Capture Storage / Carbon Capture Use) den gesamten CO2-Ausstoß um bis zu 80 % zu minimieren.
Tata Steel Europe investiert in eine Kombination aus neuen Technologien, einschließlich der HIsarna- und Elektrolichtbogenofentechnologie, die die CO2-Emissionen seiner Produktionsstätten bis 2030 um 30-40% reduzieren. Der Stahlhersteller geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 zusätzliche Technologien wie wasserstoffbasierte DRI und die Verwendung von Begleitgasen zur Herstellung von Vorprodukten für die chemische Industrie eine vollständig kohlenstoffneutrale Stahlerzeugung an den Standorten ermöglichen.
marketSTEEL: Klimaneutralität – geht dies am Standort Deutschland (bzw. EU)?
Dr. Karl Haider: Wir glauben, dass es möglich ist, aber es liegt viel Arbeit vor uns. Alle Technologien werden letztlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Darin liegt die große Herausforderung. Wir haben zum Beispiel die Zukunftsvision, die Produktionsstätte Tata Steel IJmuiden auf der Grundlage von Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien zu betreiben, aber dafür muss deutlich mehr Windenergie zur Verfügung stehen, als die niederländische Regierung derzeit plant.
Kurz- bis mittelfristig hält Tata Steel Europe die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff für erforderlich. Als Partner des Athos-Projekts* konnten wir die technische Machbarkeit einer solchen Lösung entlang der Nordseekanal-Region der Niederlande demonstrieren, einschließlich einer für viele Jahrzehnte ausreichenden Speicherkapazität für leere Gasfelder. Dies ist eine bewährte Technologie und sie bietet ein enormes Potenzial zur CO2-Reduzierung, bis andere wichtige Infrastrukturen verfügbar werden.
marketSTEEL: Welche Anforderungen haben Sie an die Politiker?
Dr. Karl Haider: In erster Linie gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt. Investitionen in neue Technologien zur Dekarbonisierung unserer Prozesse werden viele Millionen Euro kosten, und da importierter Stahl nicht den gleichen CO2-Emissionsgrenzwerten unterliegt, wie in Europa produzierter Stahl, werden wir stark benachteiligt sein. Der Einsatz von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen wird sorgfältig geprüft werden müssen, um das richtige Vorgehen zu fördern.
Zudem müssen wir uns verpflichten, Investitionen in die Infrastruktur – insbesondere in erneuerbare Energien – in einem Tempo zu fördern und zu ermöglichen, das die Umstellung auf neue Verfahren und damit die Erfüllung unserer Emissionsziele gewährleistet. Wir brauchen einen fixen Zeitplan, auf den wir uns bei unseren eigenen Investitionsentscheidungen verlassen können.
marketSTEEL: Was ist Ihre Mission?
Dr. Karl Haider: Die Mission von Tata Steel Europe besteht darin, unsere Kunden bei der Verwirklichung eines vollständig nachhaltigen Mobilitätsmarktes zu unterstützen. Unser „Working with you on sustainable vehicles and value chains” Statement umfasst die Herausforderungen unserer Kunden in Bezug auf Nachhaltigkeit, Elektrifizierung und Digitalisierung, die, wie wir denken, stark voneinander abhängig sind. Tata Steel Europe ist sich bewusst, dass die Elektrifizierung und Digitalisierung in engem Zusammenhang mit übergreifenden Nachhaltigkeitszielen stehen. Die Elektrifizierung wird eindeutig von der Notwendigkeit angetrieben, die durchschnittlichen Kohlenstoffemissionen der Fahrzeugflotten der Automobilhersteller zu reduzieren, während die Digitalisierung eine Optimierung des Ertrags, die Verringerung von Ineffizienzen und eine verbesserte Transparenz der Lieferkette ermöglicht.
Neben der Nachhaltigkeit setzt Tata Steel Europe derzeit Strategien zur Elektrifizierung und Digitalisierung ein, die in Zukunft leistungsfähigere Fahrzeuge und optimierte Prozessketten ermöglichen werden.
*Athos: https://www.ccusnetwork.eu/network-members/athos-consortium
Fotos: Tata Steel Europe