„Wir setzen auf nachhaltige Produkte und Produktions-Verfahren“

marketSTEEL im Interview mit Jochen Grünewald, Managing Director bei ArcelorMittal Commercial Germany

Jochen Grünewald, Managing Director bei ArcelorMittal Commercial Germany

marketSTEEL: ArcelorMittal entwickelt und bietet nachhaltige Produkte aus Stahl. Was macht diese Produkte so besonders? Warum sind sie nachhaltig?

Wir setzen sehr stark auf Innovationen. Mit fortschrittlichem Stahl wollen wir unsere Kunden dabei unterstützen, die Haltbarkeit und die Lebensdauer von Produkten aus Stahl deutlich zu erhöhen und ihre Verarbeitung zu erleichtern.  Dies geschieht zum Beispiel durch verschleißarmen Stahl mit höherer Abriebfestigkeit, hochfesten Stahl mit besserer Haltbarkeit und geringerem Gewicht, oder durch den Einsatz von Stahl mit besserer Schweißbarkeit. Damit sind zum Beispiel Baumaschinen oder Baggerschaufeln länger haltbar und können somit länger im Einsatz bleiben. Ein Beispiel für Produktinnovation ist unser Stahl Magnelis. Dieser Stahl ist äußerst wetterresistent und daher besonders geeignet für Fundamente in aggressiven Böden. Deshalb wird Magnelis von vielen Solarunternehmen zu diesem Zweck eingesetzt. Da er korrosionsbeständiger ist und damit höheren Schutz bietet, haben die Produkte eine längere Lebensdauer und werden nachhaltiger. Und bei Solaranlagen hat man gleichzeitig noch den Effekt, dass der Stahl dazu beiträgt, erneuerbare Energien möglich zu machen und damit auch CO2 einzusparen.

marketSTEEL: Was ist der Auslöser für die von Ihnen avisierte klimaneutrale Produktion? Warum beschreiten Sie jetzt diesen Weg?

Durch den Handel mit CO2-Rechten haben wir in der EU höhere Kosten als Mitbewerber, die von außen auf den europäischen Markt drängen und kein vergleichbares Emissionshandelssystem haben. Wir fordern deshalb faire Wettbewerbsbedingungen und setzen uns für einen grünen CO2-Grenzausgleich ein. Wer Stahl nach Europa importieren will, soll die gleichen Umweltkosten haben wie die europäischen Hersteller, damit es fair ist.

Wir als Hersteller in der EU sind selbst dabei, Produkte und Produktion klimaneutral zu gestalten, weil wir unseren Beitrag zum Klimaabkommen von Paris und zum Green Deal der neuen EU-Kommission leisten wollen. Das erreichen wir, indem wir unsere CO2-Emissionen in der Produktion reduzieren und Energie effizient einsetzen. Wir investieren darüber hinaus in neue Technologien und Anlagen.  Diese Transformation in der Stahlindustrie ist sehr aufwändig, erfordert hohe Investitionen und viel Zeit. Wir setzen dabei auf die richtigen Rahmenbedingungen der Politik, um diesen Wandel erfolgreich zu organisieren und den Anforderungen an eine klimaneutrale Stahlproduktion gerecht zu werden.

marketSTEEL: Da stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit diesen Anforderungen um? Kann eine Stahlproduktion auf Dauer überhaupt noch in Deutschland stattfinden? Oder sollte es da einen Dreiklang geben, also dass zum Beispiel ein Teil das Unternehmen stemmt, ein Teil die Politik als Rahmenbedingungen und Zuschüsse gibt und ein dritter Teil müsste vielleicht sein, dass auch die Gesellschaft sagt: Ja, uns ist es wichtig, die Stahlbranche in Deutschland und in Europa zu lassen. Und damit dann teureren Stahl in Kauf nimmt, um den Produktionsstandort Deutschland und Europa zu erhalten.

Wir arbeiten auf der einen Seite mit Hochdruck daran, mit Durchbruchstechnologien Stahl künftig mit Wasserstoff herzustellen, CO2 für alternative Kraftstoffe zu nutzen oder Biokohle statt Kokskohle zu verwenden, um die CO2- Neutralität zu erreichen. Aber das ist nicht möglich ohne die Unterstützung der Politik, ohne Förderung, um diese Technologien zum Laufen zu bringen. Außerdem brauchen wir viel mehr Energie, wenn wir alles auf Erneuerbare umstellen. Die muss erst einmal geschaffen werden, ebenso die Infrastruktur dafür. Klimafreundlicher Stahl wird teurer werden, gleichzeitig brauchen wir Abnehmer dafür – es gibt also noch viele Herausforderungen zu bewältigen.

marketSTEEL: Welche Rolle spielt bei der Transformation die Unternehmenskultur? ArcelorMittal hat einen indischen CEO, ist auch ein bisschen französisch, ein bisschen deutsch, …

ArcelorMittal ist ein internationaler Konzern. Der Hauptsitz ist in Luxemburg, ein Großteil der Angestellten in der Verwaltung arbeitet in Luxemburg. Auch ein Teil der Produktion ist dort. Wir sind in Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Polen genauso wie in anderen Ländern in Osteuropa. Wir haben den Großteil unserer Produktion in Europa, wir sind in erster Linie ein europäisches, aber auch ein globales Unternehmen.

marketSTEEL: Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?

Es ist eine inspirierende, von Motivation und auch von Möglichkeiten bestimmte Kultur. Man darf Eigeninitiative ergreifen, man kann selbst gestalten. Ich würde sagen, es ist eine gestaltende Unternehmenskultur.

marketSTEEL: Wenn Sie eine persönliche Vision für die Stahlbranche entwickeln:  Wo steht die Stahlbranche 2050 in Europa?

Bis dahin sollte die Stahlindustrie in Europa in der Lage sein, klimaneutral zu produzieren. Es sollte also weitestgehend möglich sein, dass man Roheisen herstellen kann mit Hilfe von erneuerbaren Energien. Und mit Einsatzstoffen wie Wasserstoff statt Kokskohle arbeitet. Dann sollte es möglich sein, dass Stahlproduktion in Europa weiterhin stattfinden kann. Und dass sie auch zu wettbewerbsfähigen Preisen und Bedingungen funktioniert.

marketSTEEL: Welche Forderung an die Politik in Deutschland hat für Sie erste Priorität? Was müsste sich da tun?

Ohne die Politik wird es nicht gehen. Wir brauchen in Deutschland eine klare Wasserstoffstrategie, damit Wasserstoff in ausreichenden Mengen überhaupt hergestellt werden kann. Und zu wirtschaftlich bezahlbaren Preisen. Genauso brauchen wir Unterstützung bei den Investitionen in neue Technologien. Wenn wir die nicht bekommen, können wir nicht wettbewerbsfähig produzieren. Das können wir heute schon kaum aufgrund der CO2-Kosten und des Emissionshandels, den andere Regionen der Welt nicht haben. Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass die Politik die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schafft.

Autor: von Angelika Albrecht