Deutsche Stahlnachfrage schwächt sich ab – Risiken für Stahlkonjunktur nehmen zu

Prof. Dr. Roland Döhrn, RWI – Leibniz Institute

Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Stahlindustrie haben sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. Ein starker Rückgang der Rohstahlerzeugung ist zwar noch nicht zu beobachten und die Auslastung der Kapazitäten ist im internationalen Vergleich weiterhin hoch. Allerdings hinterließ die schwächere Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe ihre Spuren. Die Produktion der Stahlverwender nahm im Jahr 2018 lediglich um 1,3 Prozent zu und damit nicht einmal halb so kräftig wie 2017. Hierin mach sich insbesondere der Rückgang der Herstellung von PKW im zweiten Halbjahr bemerkbar. Da der spezifische Stahlverbrauch im Trend ohnehin abnimmt, dürfte die Stahlverwendung im Jahresverlauf leicht rückläufig gewesen sein; im Jahresdurchschnitt stieg sie lediglich um 0,4 Prozent. Die Bilanz im Außenhandel mit Walzstahl blieb nahezu unverändert. Zwar sanken die Ausfuhr, die Einfuhren nahmen jedoch mit einer ähnlichen Rate ab. Nimmt man all dies zusammen, so gingen die Walzstahl- und die Rohstahlerzeugung im Jahresdurchschnitt 2018 zurück. Letztere sank gegenüber 2017 um 2,0 Prozent auf 42,4 Mill. t. Die Kapazitätsauslastung dürfte damit von rund 87½ auf knapp 86 Prozent zurückgegangen sein.

Die Aussichten für 2019 sind nicht allzu rosig. Die Konjunktur in Deutschland hat sich abgekühlt und der Aufschwung dürfte merklich an Tempo verlieren. In seiner Konjunkturprognose vom Dezember 2018 war das RWI für 2019 von einer Zunahme des BIP um 1,4 Prozent ausgegangen (Link: http://www.rwi-essen.de/presse/mitteilung/340/). Treibende Kraft sollten danach die Konsumausgaben bleiben, da die Beschäftigung wohl auch künftig ausgeweitet wird, die Löhne recht kräftig steigen und die verfügbaren Einkommen durch finanzpolitische Maßnahmen gestärkt werden. Bei den für die Stahlindustrie maßgeblichen Verwendungskomponenten werden hingegen nur moderate Zuwächse erwartet. Für die Ausrüstungsinvestitionen wird ein Plus von lediglich 2,7 Prozent prognostiziert. Die Warenausfuhren, die aufgrund des deutschen Exportportfolios besonders stahlintensiv sind, dürften um lediglich 2,4 Prozent zunehmen. Spezifische Belastungen für die Stahlexporte resultieren zudem aus der Zunahme protektionistischer Maßnahmen im Stahlbereich und aus den aktuellen Problemen der Automobilindustrie, einem der großen Stahlverwender. Ein Lichtblick ist, dass die Baukonjunktur aller Voraussicht nach kräftig bleiben wird. Die Auftragslage der Bauwirtschaft ist gut, und der Staat investiert mehr in die Infrastruktur.

Aus diesen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen lässt sich eine Zunahme der Produktion der Stahlverwender im Jahr 2019 um lediglich 0,2 Prozent ableiten, nach 1,3 Prozent im Jahr 2018. Bei einer im Trend weiter rückläufigen Stahlintensität der Produktion übersetzt sich dies in einen um 0,6 Prozent rückläufigen Stahlbedarf. Da in den vergangenen Jahren die Lager bei Produzenten, Handel und Verwendern allem Anschein nach aufgestockt wurden, dürfte in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein Teil des Bedarfs aus einem Lagerabbau gedeckt wer-den, weshalb die am Markt realisierte Nachfrage nach Stahl noch etwas stärker zurückgehen dürfte, um 1,8 Prozent.

Die Außenhandelsbilanz mit Walzstahl dürfte 2019 ein etwas kleineres Defizit aufweisen als 2018. Die Nachfrage nach Stahl wächst langsamer, und die Kapazitätsauslastung der Stahlindustrie dürfte sinken. Beides führt zusammen-genommen zu einem leichten Rückgang der Einfuhren. Die nachlassende weltwirtschaftliche Dynamik und eine restriktivere Handelspolitik dämpfen zwar auch den Anstieg der Ausfuhren, jedoch nehmen diese per saldo wohl noch leicht zu.

Aus alledem resultiert ein Rückgang der Walzstahlerzeugung um 1,4 Prozent. Dieser übersetzt sich in einen Rückgang der Rohstahlerzeugung um 1,7 Prozent, mit der Folge, dass die Kapazitätsauslastung der deutschen Stahlwerke weiter leicht sinken wird. Mit gut 84 Prozent bliebt sie allerdings im internationalen Vergleich hoch. An der Beschäftigung dürfte dieser Rückgang nicht spurlos vorübergehen. Sie dürfte im Verlauf von 2019 reduziert werden, wenn auch keine kräftigen Einschnitte zu erwarten sind.

Seit Dezember 2018, als die gesamtwirtschaftliche Prognose erstellt wurde, aus der diese Projektion des Stahlmarktes abgeleitet ist, haben sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen tendenziell weiter verschlechtert. Die Bundesregierung geht in ihrem Ende Januar 2019 veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht von einer Zunahme des deutschen Bruttoinlandsprodukts um lediglich 1 Prozent aus, und die EU-Kommission in ihrer Winterprognose von 1,1 Prozent. Vor allem die Erwartungen an das weltwirtschaftliche Wachstum wurden nach unten korrigiert.

Simulationsrechnungen zeigen, dass eine im Rahmen den üblichen Prognoseungenauigkeit schwächere welt- und gesamtwirtschaftliche Expansion die Rohstahlerzeugung zwar nach unten ziehen würde, dass die Konsequenzen aber insofern überschaubar wären, als unter diesen Voraussetzungen auch die Stahleinfuhren sinken dürften.

Gravierender wären freilich die Folgen einer handelspolitischen Eskalation, die etwa die Verhängung der von Präsident Trump angedrohten Strafzölle auf Automobile auslösen könnte. Die Stahlindustrie wäre davon in mehrfacher Hinsicht betroffen: Zum einen ginge die Produktion eines ihrer wichtigsten Kunden zurück. Zum anderen würden sich die Unternehmen wohl generell bei ihren Investitionen zurückhalten. Schließlich bliebe eine handelspolitische Eskalation nicht ohne Folgen für das weltwirtschaftliche Wachstum und damit für die Auslandslieferungen von Stahl. Der Produktionsrückgang könnte erheblich sein, und dies bei wahrscheinlich sinkenden Margen.

Der aktuelle Stahlbericht des RWI: http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-konjunkturberichte/rwi-kb_4-2018.pdf

Der Beitrag stammt von Prof. Dr. Roland Döhrn, RWI – Leibniz Institute for Economic Reseach, Head of Department Macroeconomics and Public Finance, RWI, Essen

Foto: RWI, Essen

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