Digitalisierung in der Stahlindustrie birgt wirtschaftliches Wachstumspotenzial

Die Anforderungen an Partner und Zulieferer steigen, auch aufgrund kleiner werdender Losgrößen, stetig. Kerngeschäft des Metall- und Stahlhandels ist längst nicht mehr nur der Handel, sondern ebenso der Zuschnitt und die Anarbeitung von Halbzeugen. Damit wird der Händler immer mehr ein aktiver Teil der Wertschöpfungskette, statt nur Zwischenstation im Beschaffungsvorgang zu sein. Doch wie können Stahl- und Metallhändler die Industrie darüber hinaus dabei unterstützen, Prozesse zu verschlanken, wettbewerbsfähig zu bleiben und die Finanz- und Unternehmenskennzahlen zu optimieren? 

Unternehmen verstehen ihren Stahl- und Metalllieferanten heute zunehmend als strategischen Partner, der eine auf sie individuell zugeschnittene Versorgung mit Materialien und Dienstleistungen sicherstellen muss. Es reicht längst nicht mehr aus, dass Händler eine breite Werkstoffpalette bevorraten und diese zuverlässig liefern. Die Ansprüche der verarbeitenden Industrie sind gewachsen. Es wird nach Möglichkeiten gesucht, die Entwicklung neuer Produkte zu beschleunigen, kürzer werdende Produktionszyklen zu kompensieren und Kosten zu senken. Eine Entwicklung, auf die sich Stahl- und Metallhändler zunehmend einstellen müssen. Händler nehmen daher zusätzlich eine weitere Rolle ein: die des Systemdienstleisters mit umfangreichem Serviceangebot. „Die Aufgabe der modernen Werkstoffdistribution ist es, kontinuierlich neue Dienstleistungen zu entwickeln und gemeinsam mit den Industrieunternehmen neue Wege der Arbeitsteilung zu finden“, erklärt Bernd Seibold, Geschäftsführer der Günther + Schramm GmbH, des führenden Systemdienstleisters für Stahl, Edelstahl und Aluminium in Süddeutschland. „Wir bieten unseren Kunden zum Beispiel flexible Konzepte, um sie bei einer der derzeit wichtigsten Managementaufgaben zu unterstützen: der Verbesserung der Kapitalrentabilität“, erläutert Seibold. 

Mit reduzierten Lagerbeständen zu mehr Kapitalrentabilität 

Der Zugang zu Fremdkapital hat sich in den vergangenen Jahren merklich verknappt und verteuert, für viele Unternehmen wurden Finanzierungen deutlich erschwert. Aufgrund dieser Entwicklung sind Unternehmen gezwungen, ihr Working Capital, also ihr Nettoumlaufvermögen, zu optimieren. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, die eigenen Lagerbestände zu reduzieren und an einen Systemdienstleister auszulagern. „Wir arbeiten als externes Lager für unsere Kunden, die ihr eigenes Lager – oftmals inklusive Sägepark – komplett auflösen. Bei Bedarf realisieren wir zudem die Werkstoffanarbeitung, liefern die konfektionierte Ware just in time in die Fertigung und verkürzen so die Durchlaufzeiten in der Produktion“, erklärt Seibold. Die Unternehmen sichern sich somit Kostenvorteile, vermeiden Investitionen und gewinnen neue Flächen für das Kerngeschäft. Die Folge: Durch aktives Outsourcing erreichen Unternehmen eine Verbesserung der eigenen Finanz- und Unternehmenskennzahlen wie der Kapitalrentabilität. 

Fehlerquellen durch Digitalisierung eliminieren 

Eine Verbesserung der Auslastung von Mitarbeitern in Unternehmen verspricht die Digitalisierung der Branche. Jedoch scheinen hier noch längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft zu sein. Die aktuelle Studie „Digitalisierung im Stahl- und Metallhandel – Stand, Bedarfe und Anwendungen“ des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) kommt zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent aller Teilnehmer nach eigener Definition keine Erfahrungen mit Industrie-4.0-Anwendungen haben. 60 Prozent der Befragten allerdings möchten zukünftig digitale Applikationen nutzen und sind auch zu Investitionen bereit. Zwar zeigt der Automatisierungsgrad in der Produktion des Stahl- und Metallhandels hier ein großes Potenzial, 95 Prozent der Studienteilnehmer gaben jedoch einen Grad von unter 50 Prozent an. Die Studie basiert auf der Befragung von 66 Unternehmen und neun Interviews mit Branchenexperten. „Wir haben für unsere Kunden bereits vielfältige Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Komplexitätsreduktion entwickelt, darunter einen komplett elektronischen Bestell- und Lieferdatenaustausch, der die potenziellen Fehlerquellen papiergebundener oder telefonischer Bestellungen eliminiert“, erklärt Bernd Seibold. Die optimierte Abwicklung sorgt nicht nur für eine Entlastung des Personals, sondern steigert auch die Effizienz und minimiert die Prozesskosten. „Unsere Kunden initiieren eine Bestellung entweder manuell oder sie erfolgt automatisch nach Erteilung eines Fertigungsauftrages“, erklärt Seibold. Die Bestellinformationen werden anschließend sofort im ERP-System erfasst und der Lieferant informiert. Das System des Lieferanten bestätigt automatisch die Bestellung, wobei die Übertragung der Daten 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche möglich ist. Der Kunde erhält nach Lieferung der Ware einen Datensatz, der auf Wunsch automatisch den Wareneingang vormerkt. Zudem wird der Kunde direkt über den Eingang der Rechnung informiert und kann diese abschließend auf Plausibilität prüfen. Mit Blick auf immer komplexer werdende Beschaffungsvorgänge und die geforderte Flexibilität bei oftmals kleinen Losgrößen überzeugt eine effektive elektronische Projektabwicklung wie diese. 

Interesse an Webshops wächst 

In der Branche noch nicht so weit verbreitet ist die Bestellung über Onlineportale. Immer mehr Stahlhändler bieten aber Onlineshops für einen einfachen und schnellen Bestellvorgang an. Diese bieten weitaus mehr Funktionen als vergleichbare Angebote aus dem Konsumgütermarkt. Darüber hinaus fungieren Webshops gleichzeitig als Informationsplattform und automatisieren verschiedenste Prozesse. „Wir sehen an den Klickzahlen unseres Onlineangebotes, dass viele unserer Kunden dort die Verfügbarkeit von Produkten prüfen oder Zolltarifnummern recherchieren“, sagt Seibold. Die Potenziale seien hier aber längst noch nicht ausgeschöpft. 

Serviceleistungen zunehmend gefragt 

Stärker als das Interesse an Webshops steigt die Nachfrage seitens der produzierenden Unternehmen nach Serviceleistungen ihrer Systemdienstleister. „Neben der Anarbeitung gehört eine ausgefeilte Material- und Prozesslogistik zu unserem Angebotsspektrum. Durch Lageroutsourcing, elektronische Datenverarbeitung und kundenspezifische Verpackungslösungen ermöglichen wir unseren Kunden eine erhebliche Steigerung der Prozesseffizienz“, erklärt Bernd Seibold. Alle Leistungen erfolgen dabei aus einer Hand, der Kunde steht lediglich mit einem Ansprechpartner in Kontakt, der die unterschiedlichen Servicebereiche managt. 

Vorteile durch strategische Partnerschaft überwiegen 

In der verarbeitenden Industrie lassen sich verlässliche Systemdienstleister als strategische Partner begreifen, die Unternehmen in vielerlei Hinsicht unterstützen und entlasten. Wird beispielsweise das eigene Lager samt Sägepark aufgelöst und an einen Systemdienstleister ausgelagert, bringt das dem Unternehmen mehr Kapazität und Fläche für das jeweilige Kerngeschäft sowie eine Verbesserung der Kapitalrentabilität. Die Materiallogistik entfällt im Unternehmen, die Kosten und das Handling übernimmt der Dienstleister. In puncto Digitalisierung lassen sich durch elektronischen Datenaustausch Fehler vermeiden, Mitarbeiter entlasten und Prozesskosten minimieren. Die Bestellung über Onlineportale, die in den kommenden Jahren auch im Stahl- und Metallhandel weiter voranschreiten wird, ermöglicht einen deutlich einfacheren und schnelleren Bestellvorgang. „Insgesamt ist davon auszugehen, dass mit der Digitalisierung in der Stahlindustrie ein großes wirtschaftliches Wachstumspotenzial einhergeht, was sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirkt“, sagt Bernd Seibold mit Blick auf die Zukunft. 

Bildtext (Vorschaufoto): Kerngeschäft des Metall- und Stahlhandels ist längst nicht mehr nur der Handel, sondern ebenso der Zuschnitt und die Anarbeitung von Halbzeugen. 

Bildtext (Beitragsfotos)): Günther + Schramm arbeitet als externes Lager für Kunden, die ihr eigenes Lager – oftmals inklusive Sägepark – komplett auflösen. 

Quelle und Fotos: Günther + Schramm GmbH