Wie sich Europa abschottet

Die EU gibt gerne den letzten aufrechten Verfechter des Freihandels. Tatsächlich aber schottet sie ihre Märkte ebenso ab wie die Amerikaner oder die Brasilianer. Welche absurden Blüten das treibt, zeigt der Stahlmarkt.

Es herrscht wieder Goldgräberstimmung in der deutschen Stahl- und Aluminiumbranche, beinahe wie zu Anfang des Jahrtausends. Jahrelang haben die Stahlöfen Verluste geschrieben. In der Corona-Krise brach der Verbrauch in der EU um 13 Prozent auf 134 Millionen Tonnen ein. Die Tonne Warmbandstahl wurde für 380 Euro gehandelt. Schon Ende vergangenen Jahres aber ist die Nachfrage sprunghaft gestiegen. Fachleute rechnen 2021 mit einem satten Plus von 11 Prozent. Der Spotmarkt ist leergefegt. Der Preis je Tonne Warmbandstahl liegt bei 880 Euro. Ähnlich sieht es beim Aluminium aus. Für die Stahlkocher sind das gute Nachrichten. Der seit Jahren kriselnde Thyssen-Krupp-Konzern macht mit Stahl wieder Gewinn.

Nicht so gute Nachrichten ist die Rally – die Wirtschaftsvereinigung Stahl spricht nach etwas schwächeren Februarzahlen von einer „störanfälligen Erholung der Stahlkonjunktur“ – für die Abnehmer. Sie leiden nicht nur unter hohen Preisen, sondern auch unter langen Lieferzeiten. Statt acht bis zehn Wochen müsse er mit sechs Monaten rechnen, klagte der Präsident des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung und Chef des Zulieferers Stüken, Hubert Schmidt, jüngst in der F.A.Z. Teilweise reichen die Lieferzeiten bis ins dritte Quartal.

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© Frankfurter Allgemeine Zeitung